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Am Ausgangspunkt der Demo, dem riesigen Schützenplatz in Remscheid, erscheint die Menschenmenge zunächst überschaubar, beinahe etwas verloren. Dieser Eindruck ändert sich schnell, so bald sich der Demozug in Richtung Innenstadt in Bewegung setzt. Er füllt die Straßen über mehrere 100 Meter, zum Schluss werden etwa 8.000 Teilnehmende bekannt gegeben. Auch in Remscheid steht die „schweigende Mitte“ auf gegen die AfD und andere rechte Gruppierungen, bekennt sich sichtbar zu Demokratie und Menschenwürde.
Es sind Menschen jeden Alters dabei, zahlreiche Familien mit ihren Kindern, Jugendliche, kleine Grüppchen von Freunden und Bekannten, Paare und Einzelpersonen, darunter auffällig viele Ältere, von denen manche die Schrecken der NS-Diktatur und des Krieges noch aus eigener Erfahrung oder zumindest der ihrer Eltern kennen. Es sind Fahnen einiger Gewerkschaften, von Parteien, Vereinen, der Kirchen und zivilgesellschaftlichen Gruppen zu sehen. Dieses vielfältige Bild macht Hoffnung, dass die Recherchen von Correctiv und die drohenden Wahlerfolge der AfD ein Weckruf waren.
Aufgerufen zu der Kundgebung hatten der in Remscheid bekannte Journalist Horst Kläuser und der Oberbürgermeister der Stadt Remscheid, Burkhard Mast-Weisz, mit allen demokratischen Ratsparteien. Das heißt, die Veranstaltung wurde hauptsächlich von Personen und Organisationen getragen und unterstützt, die zur Kommunalpolitik gehören, in Behörden tätig sind oder anderweitig „Teil des Systems“ sind. Dieser Schulterschluss ist einerseits zu befürworten, andererseits kann er ausschließend wirken auf regierungskritische und parteiferne Gruppierungen und Menschen. Von den angesprochenen Migrant:innenverbänden, Moscheevereinen, Jugendtreffs u.a. war für meine Augen zum Beispiel wenig zu sehen. Auch bleibt dadurch außer Acht, dass nicht zuletzt Jahrzehnte lange Fehler der Politik maßgeblich zu dem Rechtsruck in Deutschland beigetragen haben, oder dass staatliches Handeln den hehren Idealen so oft widerspricht. Auch in den Redebeiträgen zur Abschlusskundgebung war kein kritisches Wort dazu zu hören, so wichtig die reinen Bekenntnisse zur Demokratie auch sind. Es spricht für sich, dass die Reden ausgerechnet vom Eingangsportal des repräsentativen Rathauses aus zu hören waren – Augenhöhe sieht anders aus.
Dennoch bleibt ein positiver, ermutigender Eindruck der Stadtgesellschaft in Remscheid zurück. In der „Remscheider Erklärung“ zur Demo (Remscheider Erkla_rung) ist es dem Trägerkreis gelungen, sich glasklar gegen Rechts zu bekennen, ohne die Gefahr des Faschismus mit allgemeinen Phrasen über andere Formen des Extremismus zu relativieren und zu verwässern.
Ein Besuch im Konsumtempel „Allee Center“ im Anschluss an die Kundgebung zeigte mir, wie friedlich und selbstverständlich der Alltag in einer Stadt mit einem hohen Anteil von Menschen mit Migrationsgeschichte und einer großen Kluft zwischen Arm und Reich aussehen kann. Es herrschte ein reges Treiben der unterschiedlichsten Menschen, die entspannt miteinander auskamen.
© Foto: eigene Aufnahme